Das Bild zeigt das Buch "Nullerjahre" von Hendrik Bolz

Arschloch und Spaß dabei – “Nullerjahre” – Rezension

Das Bild zeigt das Buch "Nullerjahre"  von Hendrik Bolz. Daneben steht die Schneemanntasse.

„Nullerjahre“ von Hendrik Bolz ist ein autobiografischer Roman über seine Jugend in Stralsund.

Die einleitende Rahmenhandlung ist die Fahrt zu einem Junggesellenabschied in 2021, auf den Hendrik eingeladen ist. Es ist der Junggesellenabschied eines ehemaligen Freundes aus Jugendjahren, den er seit 13 nicht gesehen hat. Der Autor erzählt von seiner späten Kindheit und Jugend in Stralsund. Er beginnt damit zu erzählen, wie selbstverständlich Nazis waren und wie man zu diesen Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufblickte, weil diese hart und keine Opfer waren. Die Erzählung beginnt in einem Kinder- und Jugendferiencamp. Bis auf einen Jugendlichen orientieren sich alle an Nazis und verwenden die gleichen rassistischen und antisemitischen Sprüche. Schon da verhält sich der Erzähler gegenüber vermeintlich anderen und schwächeren gemein. So löscht er den Spielstand eines Jungen aus seinem Zimmer auf dessen Gameboyspiel. Das Verhalten wird letztlich immer schlimmer. Er verprügelt und bestiehlt mit seinen Freunden andere Kinder und Jugendliche, um die eigene Stärke zu beweisen. Gleichzeitig beginnt der Drogenkonsum, zunächst mit dem Inhalieren von Feuerzeuggas und Rauchen, mit 13 / 14 dann Alkohol zunächst auf einem „Tote Hosen“ Konzert. Danach ist es das beständige Ziel zu saufen und ansonsten andere zu verprügeln.  Der zweite Teil des Buchs beschäftigt sich mit dem Verhalten des Erzählers als Kiffer, wobei weiterhin andere Drogen genommen werden. Das setzt gleichzeitig ein mit der Faszination für Deutschrap. Er hängt dort nur noch mit seinen anderen kiffenden Freunden rum und schafft es auch dann noch sich schlecht gegenüber anderen zu verhalten.

Das Buch ist erschütternd. Es ist erschütternd, da so wenig Selbstreflexion vorhanden ist. Ja, im Outro sagt der Erzähler zwar, dass das Verhalten schlecht war. Es ist aber auch keine Distanzierung da. Gleichzeitig wird in den Beschreibungen aus der Jugend das brutale und kriminelle Verhalten gerechtfertigt und als gut empfunden. Einzig das Kiffen ist etwas, das er schon versucht noch in der Jugend abzulegen. Der Erzähler erfährt keinerlei Konsequenz für sein Verhalten, außer dass Ihm mal die Nase gebrochen wird und seine Freundinnen ihn verlassen. Gleichzeitig ist es seltsam zu lesen, wie überall Nazistrukturen sind und er Anklang in deren cis Männlichkeit sucht, aber gleichzeitig nie ein Nazi war. Das finde ich schon sehr merkwürdig. Auch frage ich mich, wie er an das ganze Geld für Drogen und Alkohol gekommen ist. Diese Zusammenhänge lassen die Einleitung überheblich wirken. Dort stellt sich der Autor und Erzähler in die Zusammenhänge mit der Erinnerung und Aufarbeitung der durch einen Zeitungsartikel genannten „Baseballschlägerjahre“. Darin berichteten Menschen über ihre Opfererfahrung insbesondere in Ostdeutschland hinsichtlich durch die existierenden Nazistrukturen. Ich finde es perfide, dass der Autor sich in diesen Kotext setzt, da er in seiner Jugend definitiv selbst Täter war und aktiv Kontakt zu Nazis suchte. Daneben wird eine erzählerische Veränderung nicht konsequent umgesetzt. Ab einem Zeitpunkt soll die Figur Lippe nur Lipp genannt werden. Entweder war das ein Problem beim Lektorat oder beim Autor, aber Lipp wird immer wieder, zum Teil auf der gleichen Seite mal Lipp und dann wieder Lippe genannt, ohne dass es einen Wechsel hinsichtlich des Erzählens gibt. Es ist übrigens auch ein Buch bei dem der Druck als Hardcover meiner Meinung nach eine Verschwendung ist.

Ich dachte, das Buch wäre lohnenswert gewesen und auch ein Einblick in die Nazistrukturen der Nullerjahre und wie diese in der Jugend wirken. Letztlich ist es eine Beweihräucherung des Mobbens von Mitschülern, sexistischen Verhaltens, Gewalt und anderer Straftaten in einer großen Nähe zu Nazis. Möchte er lieber bemitleidet werden für sein Marihuana Konsum, als sich bei seinen Opfern zu entschuldigen? Vermutlich ja. Es ist ein Buch, das niemand lesen muss. Die kulturellen Referenzen der Nullerjahre, sind eine nette Dreingabe.

Hendrik Bolz: Nullerjahre. Jugend in Blühenden Landschaften. Kiepenheuer & Witsch 2022, 334 Seiten. [Keine bezahlte Werbung]

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