Das Leben eines Anderen – “Der Platz” Annie Ernaux Rezension

Das Bch "Der Platz" von Annie Erneaux. Daneben die Schneemanntasse

Annie Ernaux veröffentlichte 1983 „Der Platz“ als ihre erste biografische Erzählung. Sie begann das Schreiben nach dem Tod ihres Vaters und widmet das Buch seinem Leben. Das ist eine Wiederveröffentlichung der Kritik wegen der Verleihung des Literaturnobelpreises 2022 an Annie Ernaux.

Ihr Vater lebte von 1899 bis 1967 in der Normandie und ihm gelang mit seiner Ehefrau ein geringer Aufstieg vom Landarbeiter zum Besitzer eines Gemischtwareladens und einer Kneipe. Ernaux möchte die Erinnerung aber nicht als eine Erfolgsgeschichte schreiben, da dies mit zu vielen falsch verstandenen Sentimentalitäten verbunden ist. 

Sie schildert in fast neutralem Stil über die Lebensgeschichte und behält sich Kommentare vor. So bemerkt sie den Anachronismus zwischen der Lebenswirklichkeit der Kindheit ihres Vaters und ihres Großvaters und den Kontrast zur Beschreibung bei etwa Proust. Ihr Vater lebte zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch im Mittelalter. Die Autorin legt viel Wert auf den Klassenunterschied, in den sie hineingeboren wurde und die Diskrepanz zwischen sich und ihrem Vater seit ihrer Jugend. Die Erzählung ist ein Plädoyer an die bürgerliche Gesellschaft, ihre Vorbehalte abzulegen.

Zu großen Teilen ist die Übersetzung gut. An einigen Stellen wäre es hingegen sinnvoll gewesen, Fußnoten zu verwenden, um französisch gebliebene Zitate auch ins Deutsche zu übertragen und umgekehrt an Stellen, bei denen es explizit um Sprache ging, das französische Original in die Fußnote zu setzen. Dies würde mehr Transparenz beim wichtigen Faktor Sprache erzeugen.  

Das Buch ist lohnenswert, wenn man schon „Erinnerung eines Mädchens“ gelesen hat und mehr über die Familie und Herkunft der Autorin erfahren möchte. Ebenfalls lohnt es sich für all jene die, einen, Einblick (!) in die Lebenswirklichkeit der Land- Arbeiterbevölkerung Frankreichs im 20. Jahrhundert bekommen wollen.   

Annie Ernaux: Der Platz. Suhrkamp 2019, 94 Seiten.

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