Das Bild zeigt den Roman "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl

Cis Frau sein „Die Wut, die bleibt“ – Rezension

Das Bild zeigt den Roman "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl. Rechts daneben steht die Schneemanntasse

CN Suizid, Gewalt, SVV,

Der Roman „Die Wut, die Bleibt“ von Mareike Fallwickl thematisiert den Verlust der Mutter und Freundin sowie feministische Themen.

Am Abendbrottisch steht Helene plötzlich auf, nachdem ihr Ehemann um den Salzstreuer bittet, und geht zum Balkon und stürzt sich in die Tiefe. Das Buch erzählt danach aus der Perspektive der gleichaltrigen Freundin Sarah und Helenas bald 15-jährigen Tochter Lola. Zunächst geht es beiden um die Trauerarbeit, aber schnell wird klar, wie sie die Care-Arbeit der Mutter übernehmen. Zunächst ist Lola die nächtliche Stütze für die ein und fünf Jahre alten Halbbrüder. Dann lässt sich die freischaffende Autorin Sarah auf einen Handel mit Johannes ein und übernimmt bis Oktober Betreuungs- und Haushaltsaufgaben. Dabei liegt der Fokus auf der Arbeit, die einer Mutter selbstverständlich in der Gesellschaft aufgetragen wird und es wird über kleine Kinder reflektiert. Nachdem Lola und ihre Freundin Sunny von drei Jungs auf einem Skatepark angegriffen werden, gehen beide in einen Selbstverteidigungskurs und freunden sich dort mit der ein wenig älteren Alva und Femme an. Durch das Training und ein neues Selbstverständnis verändert sich Lola. Das gewonnene Selbstvertrauen wird durch die vier in Racheaktionen gegenüber (sexuell) übergriffigen Männern umgesetzt.

„Die Wut, die bleibt“ spricht viele unglaublich wichtige Themen an. Die Schilderungen der Care-Arbeit sind eindrücklich und die Wut gegenüber den Vätern, die sich dieser entziehen, ist dort in jedem Moment greifbar. In ihren Erzählpassagen entgendert Lola, was erfreulich ist und achtet auf verwendete Worte. Das Buch spricht sich gegen die Normierung der Körper von cis Frauen aus und wie diese ihre Körper wiedergewinnen können. Die feministische Themensetzung gelingt und das Buch ist gut erzählt. Der Alltag seit der Coronapandemie ist in natürliche Art eingearbeitet. Es bewegt sich sprachlich überdurchschnittlich, aber ohne sprachliche Raffinesse. Die Racheaktionen können als Spiegel verstanden werden, für das Verhalten, mit dem cis Männer durchkommen. Die Genugtung ist im Text spürbar. Dennoch finde ich nicht gut, dass der sexuelle Übergriff von Lola nie wieder angesprochen wird. Wobei Sie auch zu der trügerischen Ansicht kommt, dass Moritz dies gefiel, weil er eine Erektion hatte.  

Das große Problem des Buchs ist der durchweg cis binäre Feminismus, der weder intersektional ist und zu großen Teilen das Queere ausblendet. Das passiert, obwohl das Buch queere Anteile anerkennt und auch erwähnt. Das binäre zeigt sich darin, dass Frauen zumindest immer Solidarität gezeigt wird von Sarah, und Lola sich ähnlich verhält nur schneller auf Verräterinnen am Feminismus reagiert. Daneben wird indirekt die Gleichung aufgestellt Penis = Mann = schlecht. Ja, die präsentierten Männer sind schlecht. Es ist aber eine verkürzte Darstellung, die sehr eine Zuschreibung auf Genitalien fokussiert. Das Buch vergisst völlig trans und nicht-binäre Menschen und es ist nicht klar, ob dies Absicht, oder schlechte Recherche ist.

„Die Wut die, bleibt“ spricht wichtige Themen an, deren Umsetzung meist gelungen ist. Es gibt Menschen, für die das Buch eine dringende Leseempfehlung wäre. Das Fehlen queerer Perspektiven schadet dem Buch leider.

Mareike Fallwickl: Die Wut, die Bleibt. Rowohlt 2022, 384 Seiten.

[Keine bezahlte Werbung. Buch aus Besitz]

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