Das Bild zeigt das Buch "Schauerroman" von Gerhard Henschel. Das Cover ist in einem Dutch Angle und zeigt eine alte Aufnahme des Autors. Daneben steht die Schneemanntasse.

Martin Schlossers wundersame Geschichte – “Schauerroman” Rezension

“Schauerroman” ist der neunte Band der Martin Schlosser Bücher von Gerhard Henschel und spielt zwischen Sommer 1992 und Frühjahr 1994.

CN Tod Sex Rechtsextremismus Nazis Alkohol

Martin lebt noch immer in seiner WG in Berlin Kreuzberg und wird vom heißesten Sommer, den die Stadt bisher gesehen hat, gegrillt. Martin intensiviert die Freundschaft zu Marcus, Wiglaf, Eugen und Max durch Kinobesuche, Veranstaltungen im Benno-Ohnesorg-Theater, Briefe und ganz vielen Kneipenbesuchen. Neben seiner Arbeit für „Kowalski“ schreibt er an Büchern, die beim Verlag „Weißer Stein Greiz“ erscheinen sollen und an einer neuen Zeitschrift mit Kathrin. Seine schriftstellerischen Erfolge vermehren sich, durch Lesungen, insbesondere in Ostdeutschland, in linken und autonomen Jugendzentren und durch neue Kontakte auf der Leipziger und Frankfurter Buchmesse. Seinen Vater, Richard Schlosser, versucht er, soweit es ihm möglich ist, aus seinem Leben herauszuhalten, da dieser nur noch mit allem im Bösen ist. Martin bekommt seit langem wieder mit, was in der Welt um ihn herum passiert. Die Beziehungen zu Frauen belaufen sich in diesem Zeitraum nur auf offene sexuelle Beziehungen. 1993 wird sowohl ein schreckliches wie auch gutes Jahr. Die Wohnsituation in der WG in Berlin wird stetig schlimmer und es kommt zu immer heftigeren Streitereien der Bewohner untereinander, Martins Traum erfüllt sich und er kann die Arbeit bei der „Titanic“ in Frankfurt anfangen. Kurz darauf verstirbt sein Vater (was sehr lange Zeit schon absehbar war), worüber er traurig ist, der Situation entsprechend, aber sehr gefasst.

Henschel ist mit diesem Buch endlich wieder in neuer Form. Es ist so erfrischend, die Kommentare Martins zu den Ereignissen dieser Jahre zu lesen. Ein wichtiger Punkt ist der immer stärker um sich greifende Rechtsextremismus und die Untätigkeit der Politik gegen die Nazis, bzw. deren eigenes mitmischen an rassistischen Aussagen. Immer wieder wirken Martins Kommentare aus den frühen 90er Jahren doch auch wie ein Kommentar Gerhard Henschels auf die aktuelle Zeit.

Es beginnt eine Distanzierung zu den Rutschkys, aber noch kein völliger Bruch wegen deren Rechtskonservativen Einstellungen, die immer deutlicher zutage kommen. In diesem Zusammenhang fällt auch Martins Auseinandersetzung mit Botho Strauß‘ Essay „Anschwellender Bockgesang“ auf, der sich unerklärlicher Weise etwa auch in meiner Ausgabe der „Leseliste“ aus dem Reclam Verlag befindet, trotz dessen nationalistischen Thesen und Verharmlosung von rechtsextremen Anschlägen. Unverkennbar schreibt Henschel einen weiteren Teil der Schlosser Romane, doch bewegt sich das Buch stilistisch zielsicherer auf einem anderen Niveau als die letzten vier Bände zuvor. Somit könnte sich meine These bewahrheiten, die ich am Ende meiner Rezension zu „Erfolgsroman“ beschrieben hatte, dass Gerhard Henschel alias Martin Schlosser den eigenen frühen Stil imitiert hatte. Das wiederum ist eine anzuerkennende literarische Seltenheit und Leistung. Der Titel des Romans wird an einer Stelle genannt, als der Vater mal wieder einen Unfall im Haushalt hat. Der Titel kann aber gleichzeitig auch noch auf die Wohnsituation in der WG und die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse bezogen werden.

Gerhard Henschel ist bei „Schauerroman“ in Höchstform und hat das selbstgewählte „Tal der Ahnungslosen“ verlassen und betritt wieder die gesellschaftliche Bühne. Bei diesem Buch lohnt sich selbst die Lektüre, wenn die zuvor erschienen Bücher nicht gelesen wurden. Das ist natürlich schwierig, da sukzessiv der Handlungsrahmen erweitert wurde, aber das Lesevergnügen und der Einblick in eine journalistische Welt der frühen 1990er ist literarisch so ansprechend, dass es nicht verpasst werden sollte. Das Buch bekommt von mir eine eindeutige Leseempfehlung.

Gerhard Henschel: Schauerroman. Hoffman und Campe 2021, 587 Seiten.

[Keine bezahlte Werbung. Buch ist vom Verlag gestellt]

Mein Dank gilt dem Hoffman und Campe Verlag, die mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben.

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